Zweifelsohne: vor allem in diesen Zeiten, in denen wir es gewohnt sind, so viele Freiheiten genießen zu können, von offenen Grenzen zu profitieren und unser Leben individuell zu gestalten, ist es eine enorme Herausforderung, sich einzuschränken, sich zu distanzieren, sich zu gedulden.

Diese Krise bringt uns allen viele Einschnitte: sozial-emotional, wirtschaftlich, aber vor allem auch menschliche Verluste. Angesichts der vielen Kranken und Toten fällt es wahrhaftig schwer, von etwas Positivem zu sprechen, das uns diese Pandemie hinterlassen wird.

Und doch: es wird ein Leben nach dem Virus geben, es wird auch etwas Gutes gebracht haben. Damit meine ich nicht, dass einige wenige Wirtschaftszweige von dieser Krise profitieren, dass einzelne Personen sich als Krisenmanager bewährt haben werden, was ihnen einen persönlichen Aufstieg ermöglichen könnte, vielleicht sogar, dass jeder sein eigener Krisenmanager war und eine neue Resilienz entwickelt haben wird. Auch, dass das Thema an sich jede Menge Stoff für neue Untersuchungen, wissenschaftliche Arbeiten oder Produkte hergibt und dass sich unsere Umwelt schon jetzt ein Stück weit erholt hat, weil Flieger am Boden und Schiffe im Hafen bleiben, meine ich nicht in erster Linie.

Ich spreche von den kleinen Dingen und Momenten im alltäglichen Leben eines jeden Einzelnen, die plötzlich in den Fokus rücken: Das Lächeln des Paketboden, der genau weiß, dass man nicht auf dem Touchpad unterschreiben wird. Oder die alte Nachbarin, die so dankbar ist, wenn man ihr Unterstützung beim Einkaufen anbietet.

 

Den anderen wertschätzen, ihm zuhören, ihn unterstützen, ihm ein Lächeln schenken, nachsichtig und geduldig sein, sich selbst etwas zurücknehmen, kreativ werden. Kleine Dinge, die nichts kosten und die jeder kann. Eine Portion Ruhe und Sachlichkeit, eine Prise Humor und Optimismus, achtsam mit sich und seinen Mitmenschen umgehen – darum geht es.

Wenn jeder mitmacht, können wir damit so viel erreichen. Gemeinsam geht alles leichter. „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ oder „Das Glück verdoppelt sich, wenn man es teilt.“ – wer will das bezweifeln?

Natürlich steht dem Extrem von „social distancing“ auf der einen Seite das Extrem Lagerkoller, Aufeinanderhocken bis hin zu erwartenden höheren Scheidungsraten in den nächsten Monaten auf der anderen Seite gegenüber. Doch unser Leben hatte sich bereits vor dem Virus grundlegend verändert. Familiäre Systeme, traditionelle Rollenverteilung, Heimat, Grenzen, Digitalisierung … es ist nicht mehr so, wie es früher einmal war. Vieles ist lockerer, unverbindlicher geworden. Umso mehr ist genau jetzt der passende Zeitpunkt, eine neue Form von Solidarität zu finden und auf unser System zu vertrauen, mit seinen vielen kleinen Rädchen, die dies am Laufen halten.

In der Krise zeigt sich der Charakter, heißt es so schön. Es geht um Weitsicht – aber nicht darum, wohin unser nächster Urlaub geht. Es geht um Demut – aber nicht um ein Ausgeliefertsein. Es geht um Verantwortung – aber nicht darum, untätig Beschlüsse abzuwarten.

Machen wir uns nichts vor: Diese Zeit wird an uns allen nicht spurlos vorüber gehen. Doch der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Können wir nicht rausgehen, gehen wir in uns hinein. Lassen wir uns darauf ein. Es gibt ein Leben nach der Krise. Ohne den Ernst der Lage zu verkennen: Lasst uns wohlwollend denken, freundlich und positiv sein. Das macht uns freier, eröffnet viel mehr Perspektiven – und Lösungen. Diese entstehen in uns selbst.

In diesem Sinne: eunoia!