Wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich allzu Persönliches gern aus der Onlinewelt heraushalte. Heute mache ich eine kleine Ausnahme. Dies ist ein Bild aus den Achtziger Jahren von mir und meiner Mama. Es entstand in Hvide Sande, zwischen Ringkøbing Fjord und Nordsee in Dänemark. Ein Ort, bekannt für Wind und Wellen, mit rauem Klima, und für mich der Inbegriff von Unbeschwertheit und Glückseligkeit über viele Jahre, wo wir unzählige Urlaube mit Familie oder Freunden im Norden verbrachten. Ohne Telefon, ohne Notebook oder Internet, meist sogar ohne TV und – später für uns Kinder die größte Herausforderung: ohne Geschirrspülmaschine.

Doch ich möchte in diesem Zusammenhang gar nicht vom elektronischen und digitalen Fortschritt sprechen, sondern von einer Botschaft meiner Mom, die sie uns schon immer mitgegeben und welche rückblickend gerade für mich als Coach über die letzten Jahre eine ganz besondere Bedeutung bekommen hat.

„Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch zu irgendetwas gut ist.“

Wann immer etwas Blödes passierte, eine Niederlage, eine Enttäuschung, wenn sich Wege trennten oder sich Dinge anders entwickelten, als wir das wollten, sagte sie: „Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch zu irgendetwas gut ist.“ Was ich damals einfach als Ermutigung wahrgenommen habe, ist mittlerweile nicht nur zu einem running gag in unserer Familie geworden, sondern vor allem zu einer Grundhaltung. Auch, wenn sich dies oft erst in der Retrospektive zeigte, für mich persönlich war es ein wesentliches learning, das mir auch heute noch hilft, mit negativen Erfahrungen umzugehen. Wie hätte ich wissen können, dass die Tatsache, meinen ersehnten Lufthansa-Job überraschend nicht antreten zu dürfen, zwei wunderbare Jahre in Frankreich ermöglichte? Dass meine zunächst erfolglose Jobsuche im Rheinland mich zurück nach Bayern bringen würde und ich trotz nerviger Wochenend-Pendelei Menschen begegnete, die nicht nur großartige Kollegen waren, sondern woraus jobüberdauernde Freundschaften wurden, die ich nicht missen möchte? Dass ein paar Jahre später die vermeintlich größte berufliche und menschliche Enttäuschung zwar schmerzhaft war und Verlust in vielerlei Hinsicht bedeutete, doch dass auch dies für einen glücklichen Wendepunkt stand – professionell und persönlich. Es gäbe noch zahlreiche Beispiele.

Aus Coaching-Sicht denke ich dabei heute an das Seitenmodell, eine Intervention aus der Teilearbeit, mit der ich sehr gern und oft arbeite. Aber auch an die Kübler-Ross-Kurve mit ihren fünf Phasen der Trauer, die auch hervorragend für Change-Prozesse passt.

Meine Mama wäre heute 63 Jahre geworden. Ich frage mich oft, was sie zum Beispiel über meinen beruflichen Weg sagen oder wie sie aktuell mit der Pandemie umgehen würde. Aber eigentlich weiß ich es. Durch die Spuren, die sie hinterlassen hat, ist sie weiterhin an meiner Seite. Und dafür bin ich sehr dankbar.

„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“

Albert SCHWEITZER