“Die Corona-Pandemie und die Massnahmen dagegen bringen viele Menschen aus der Balance. Katharina Kinast, systemischer Personal & Business Coach und Gründerin von «eunoia»-Coaching in Erlenbach, unterstützt dabei, wieder gelassen zu sein und in die Kraft zu kommen”

KÜSNACHTER – Isabella Seemann


 

Wie geht es Ihnen als Coach während der Corona-Epidemie?
In vielerlei Hinsicht empfinde ich die ak- tuelle Zeit als eine ebenso herausfor- dernde wie spannende Phase. Anfang des Jahres habe ich mich als systemischer Coach selbstständig gemacht und im Sommer einen Praxisraum gemietet. Gründung und Aufbau meiner Firma fie- len also in die Corona-Pandemie und er- forderten Flexibilität und schnelle Lösungssuche. So habe ich, obgleich ich den persönlichen Kontakt zu Klienten für sehr wichtig halte, ein Online-Ange- bot aufgebaut. Zudem biete ich auch «Coaching Walks» im Freien an.

Wie kommen diese beiden Methoden an?
Sie wurden beide angenommen und erwiesen sich als produktiv und effektiv und waren positive Erfahrungen. Letztlich kann daraus eine Aussage entstehen, wie sie typisch für Krisen ist: Machen wir aus der Not eine Tugend. Zusammen mit meinem Kollegen aus Zürich, Boris Zigawe, haben wir während der zweiten Corona-Welle ein neues Coaching-Angebot entwickelt, das wir nun implementieren: Life Balance in der Krise. Es geht darum, die Resilienz zu stärken, zuversichtlich durch die Krise zu kommen und im Idealfall danach von diesem Veränderungsprozess zu profitieren.

«Man kann Krisen durchstehen, oder sich überlegen, ob man nicht doch lieber selber ins Handeln kommt.»

Was beschäftigt Ihre Klienten während der Corona-Krise?
Grundsätzlich richtet sich Coaching an psychisch gesunde Personen, es kann präventiv wirken, jedoch keine Therapie ersetzen. Unterstützung suchen Menschen aus unterschiedlichsten Gründen, doch ein gemeinsamer Nenner ist, dass ihnen während der Corona-Krise die Balance abhanden kam oder die Krise Probleme und Konflikte an die Oberfläche spült, die vorher schon da waren. Sie sind mit ungewollten Veränderungen konfrontiert, die teils in sämtliche Lebensbereiche wirken. Und weil die Situation unbekannt ist, haben sie noch keine Bewältigungsstrategien. Diese Unsicherheit kann zu Nervosität, Stress und Ängsten führen.

Was macht Angst mit uns?
Wer Angst hat, hält sich hauptsächlich nur noch im Kopf auf. Das Gedankenka- russell beginnt zu drehen und kommt nicht mehr zum Stillstand. Angst blo- ckiert, man kommt in die Angststarre. Es entsteht das Gefühl von Ausgeliefertsein und Ohnmacht.

Vergeht Angst wieder von alleine?
Eine spannende Frage. Wahrscheinlich vergeht die Angst, sobald sich die Situation normalisiert. Doch nun stellt sich das Problem, ob und wann sie wieder kommt. Später werden es vielleicht andere Stresssituationen sein, die die Ängste wieder hochkommen lassen. Man kann diese Krisen einfach durchstehen, oder man kann sich überlegen, ob man nicht doch lieber selber ins Handeln kommen möchte, und sich seiner Ressourcen wieder bewusst werden. Denn man ist eben nicht ausgeliefert.

Wie stärkt man die Psyche mitten in der Krise?
Eine Universallösung existiert nicht, denn jeder Mensch lebt in seinem eigenen Kontext. In einer Krise ist es grundsätzlich hilfreich, die Perspektive zu wechseln. Das bedeutet, dass man die Einflüsse von aussen aussen vorlässt, denn diese kann man nicht ändern. Stattdessen kehrt man den Blick nach innen und konzentriert sich darauf, was man selber ändern kann und möchte. Dafür muss man das eigene Innere wahrnehmen und seine Bedürfnisse erkennen. Damit kann man die eigenen Ressourcen erfassen, Strategien entwickeln und sich Ziele setzen.

Haben Sie einen alltagstauglichen Tipp, wie man das angehen kann?
Nehmen Sie sich 30 Minuten Zeit und schlagen Sie in einem Notizbuch eine Doppelseite auf. Schreiben Sie unter dem Titel «Meine Fuck-up-Liste 2020» alles auf, was Sie an diesem Jahr nervt. Und dann wechseln Sie die Perspektive und überschreiben das andere Blatt mit dem Titel «Gelernte Lektionen» oder «Geschenke der Krise». Darauf notieren Sie alle positiven Punkte, die sich aus der Krise entwickelt haben. Und vielleicht ist unabhängig von den negativen Punkten etwas passiert, wofür sie dankbar sind. Am Ende sollte das Fazit sein: Ich habe viel geschafft, erreicht und gelernt. So erkennt man seine eigenen Ressourcen und kommt ins Handeln.

Eine Herausforderung sind die Weih- nachts- und Neujahrstage. Wie bereiten wir uns am besten darauf vor?
Auch hier kann ein Perspektivenwechsel neue Sichtweisen eröffnen. Möglicherweise sind Sie ja froh, wenn die Feiern mal im kleinen Kreis stattfinden. Vielleicht ermöglichen Ihnen die ruhigen Tage sogar, eine «Post-Covid Bucket List» anzufertigen, also eine Liste, um sich für all die Dinge zu motivieren, die man machen will, wenn die Pandemie vorbei ist.

 

Link to full article in the Küsnachter on December 3rd, 2020.